Am 2. Juni 1977 war es schließlich soweit. Meine Mutter wurde ins Krankenhaus gebracht und nach zwei Stunden der Wehen erblickte ich um 12:49 das Licht der Welt und meine Mutter durfte mich das erste Mal in ihrem Arm halten. Ich hab oft gehört wie glücklich sie in diesem Augenblick gewesen war. Ich selbst kann mich daran ja nicht erinnern aber soweit ich weiß durfte sie nach zwei Tagen der Beobachtung wieder nach Hause und ich konnte das erste Mal in meinem Kinderbett schlafen. Ich war aber von Anfang an sehr unruhig und so musste sie mich immer wieder mit zu sich ins Bett nehmen da ich dort einfach besser schlafen konnte. Man wenn ich das hier so schreibe klingt das echt komisch aber ihr wolltet ja unbedingt Details. Mein Vater war davon nicht so begeistert gewesen den er hatte anderes im Sinn als mit einem kleinen Baby in einem Bett zu schlafen.

Die ersten Wochen und Monate waren eigentlich ereignislos gewesen und Mama hatte alle Hände voll zu tun. Richtig schlimm wurde es anscheinend als ich das krabbeln gelernt hatte und der Meinung war mit ihren Engelsfiguren, welche Sammlerstücke waren, zu spielen. Die eine oder andere war dabei auch kaputt gegangen und manchmal war sie auch am verzweifeln gewesen. Als ich dann auch laufen konnte wurde es auch nicht besser. Immerhin war ich mit jedem Tag aufgeweckter und fordernder. Manchmal hat sie schon an sich und ihre Fähigkeiten als Mutter gezweifelt, das hatte sie mir später erzählt. Ich finde sie hat das alles gut hinbekommen und aus mir ist auch was vernünftiges geworden. Aber kommen wir mal wieder zurück zu meiner Kindheit.

Wenn meine Mutter arbeiten musste und mein Vater zu betrunken, was sie fast täglich waren, war ich im Krankenhaus (des Stützpunkt) eigenen Hort sodass sie mich in ihren freien Minuten auch besuchen konnte. Als Krankenschwester jedoch hatte man kaum Zeit und sie liebte ihre Arbeit. Naja ich jedenfalls nutzte die Zeit um mit den anderen Kindern zu spielen. Wir bauten Burgen und Höhlen mit Hilfe von Stühlen und Laken und wenn die Erzieher mal nicht aufpassten dann entwischten wir und schlichen durchs Krankenhaus. Weit allerdings kamen wir nie wir waren ja auch noch klein gewesen.

So vergingen die ersten Geburtstage recht schnell. Mit sechs Jahren begann ein neuer Lebensabschnitt für mich .. ich kam in die Schule und das war wahrlich eine völlig neue Erfahrung für mich gewesen. Zumal ich ja schließlich nicht mehr so oft im Krankenhaus sein konnte. Der Ort wo ich lesen gelernt hatte, wo ich mit Buntstiften in den alten Krankenakten gemalt hatte. Sicher nach der Schule ging ich dorthin wenn meine Mama arbeiten musste, immerhin wollte sie nicht das ich ganz alleine zu Hause war. Die Leute in der Klinik wurden zu meiner Familie und ich wurde ein Teil von ihrer. Aber kommen wir zurück zur Schule. Ich verstand mich eigentlich auf an hieb mit einigen Jungs aus meiner Klasse und kam auch mit den anderen zurecht. Einige kannte ich auch aus der Gegend in der ich zusammen mit meiner Mum gewohnt habe. Die Lehrer waren echt toll und man konnte mit denen eigentlich über alles reden.

Die ersten zwei oder drei Jahre waren recht langweilig. Wir lauschten dem Unterricht und lernten fleißig. In den Pausen machten wir den Pausenhof unsicher in dem wir fangen spielten .. ja ich hab früher gerne fangen gespielt. Dann entdeckte ich das Ringen für mich und ging voll darin auf. Es machte mir riesigen Spaß mit den anderen zu ringen und auch wenn ich nicht immer gewinnen konnte so trieb es mach dazu an noch besser zu werden. Vielleicht diente es auch als Ventil für den Stress zu Hause. Dad war immer mehr am trinken und hatte des öfteren die Kontrolle verloren. Die blauen Flecken waren auch in der Schule aufgefallen was für einige Gespräche und Ärger gesorgt hatte. Doch meine Eltern haben das letztendlich irgendwie klären können.

Einige Jahre später hab ich Veronica kennen gelernt die mir ein wenig Nachhilfe in Französisch gegeben hatte und das während meines Trainings. Dabei kamen wir uns näher und unser erstes Date was am Valentinstag 1996 war, war bei der EWC weil sie genau wusste wie wichtig mir dieser Sport war. Aber welcher Amerikaner verfolgt das denn nicht?. Sie hatte mich zu einem Wrestlingmatch eingeladen und ich kann sagen das war das beste und außergewöhnlichste Date das ich je gehabt hatte. Danach waren wir irgendwie zusammen. Ich hab das ehrlich gesagt erst nach ein paar Tagen so richtig gerafft. Aber ja ich hatte mich in sie verliebt und wir verbrachten sehr viel Zeit miteinander. Sie wollte damals schon Lehrerin werden, was ich nur schwer nachvollziehen konnte aber ich unterstützte sie und sie mich. Und ich hatte sogar ein Stipendium bekommen sodass ich aufs College gehen konnte. Doch ich entschied mich dafür eine professionelle Wrestling Schule zu besuchen. Der Sport hatte es mir angetan und mein größter Wunsch war es selbst einmal bei einem Wrestlemania Match dabei sein zu können.

Ich kam zum Pro Wrestling und ging weiter zur WWA. Und Veronica war immer an meiner Seite. Wir hatten noch in dem Sommer 2001 geheiratet und es war mit der schönste Tag in unserem Leben. Sie hatte mittlerweile als Lehrerin angefangen und ich nahm jede Möglichkeit mit, ganz gleich ob sie groß oder klein war und versuchte mir einen Namen zu machen. Ja verdammt ich wollte die Aufmerksamkeit der EWC Scouts aber bis dahin sollte noch einige Zeit vergehen.Zuerst landete ich bei Ring of Honor wo ich nicht nur Matches bestritt sondern auch meine ersten Titel gewann und erfolgreich verteidigen konnte. Aber auch wenn ich einen guten Vertrag nach dem anderen kam und sogar bei TNA war so blieb der letzte Funken aus.

Im Mai 2005 kam schließlich unser erstes Kind zur Welt. Ein Junge ich war so stolz wie kein anderer. Dieser kleine Wonnepropen in meinen Arm wirkte so zerbrechlich und ich war einfach der glücklichste Vater auf der ganzen Welt. Aber das war erst der Anfang was die Familie und ich versuchte mir natürlich viel Zeit für die beiden zu nehmen. Sie waren für mich das wichtigste. Zu Beginn hatte ich mir sogar eine Auszeit genommen. Ich wollte nicht das Veronica sich alleine die Nächte um die Ohren schlug. Dasselbe war auch der Fall als 2007 und 2009 meine anderen beiden Söhne auf die Welt kamen. Dadurch entstand auch ein ganz eigenes Band zwischen den Kindern und mir. Ich wickelte die Windeln und versuchte bei jedem noch so kleinen Ereignis irgendwie dabei zu sein. Beruflich war mir das nicht immer möglich. Gerade auch weil ich Auftritte im Ausland hatte aber die Kindern kamen natürlich mit so oft es ging. Was andere kam gar nicht in Frage.

Schon in den Jahren hatte ich öfter mal Auftritte in Japan in denen ich auch auf Seth traf und wir und ein paar tolle Matches lieferten. Das war auch eine tolle Zeit weswegen ich schließlich auch den Vertrag der New Japan Pro Wrestling unterschrieb und wir 2010 nach Tokio zogen. Natürlich war es zu Beginn eine ziemliche Umstellung. Die Kultur war eine andere und die Sprache auch aber gemeinsam nahmen wir die Herausforderung und für die Jungs war es ein riesengroßes Abenteuer. Wir haben uns Tempel angesehen und waren in einigen der tollen Freizeitparks. Es gibt wahrlich viel in diesem Land zu entdecken. Und ja ich kann durchaus behaupten das es mit die wunderbarste Zeit in meinem Leben war. Wir sind in diesem Land so sehr zusammen gewachsen wie ich es nie geahnt hatte.

Doch ich habe mich geirrt. Ich war in den knappen vier Jahren beruflich wie immer eingespannt. Ich hatte größere Storylines und Fehden. War Mitglied im Bullet Club und sogar Leiter. Aber privat war ich immer der liebende Daddy der jeden Blödsinn mit seinen Kindern mit machte. Ohne Ausnahme. Wir haben sogar zusammen trainiert. Sie hockten auf meinem Rücken, krabbelten bei Liegestützen unter mir durch und und und. Aber während Veronica ein weiteres mal schwanger wurde fing es an zwischen uns zu knistern. Wir fingen an zu streiten. Sie wollte das nicht mehr. Sie wollte etwas anderes machen. Und da sagt man das nur wir Männer ne Midlife-Crisis haben? Es hatte sie voll erwischt und als wir im Sommer 2012 wieder in die Staaten zogen. Gerade ein schönes Wohmmobil gekauft hatten warf sie mir vor das ich mich mit ner jüngeren treffen würde. Oder eher mit einem Jungen. Ja sie wusste das ich mich zu beiden Geschlechtern hingezogen fühlte aber ich habe sie nie auch nur einmal hintergangen. Das hätte ich nie übers Herz gebracht.

Und dann wurde unser kleiner Sonnenschein geboren. Unser erstes Mädchen und ich dachte das schweißt uns noch einmal zusammen. Aber ich habe mich geirrt. Nur wenige Wochen nach ihrer Geburt ist sie einfach gegangen. Sie hat ihre Koffer gepackt und hat mich mit den Kids alleine gelassen. Ich wusste erst gar nicht was überhaupt los war. Nur wenige Monate zuvor hab ich meinen Vertrag bei der EWC unterschrieben und konnte nicht mehr daran teilnehmen. Ich musste mein Leben ordnen und zum Glück bekam ich ein wenig Verständnis. Dennoch muss ich jetzt versuchen alles unter einen Hut zu bekommen. Die Arbeit, die Kinder, den Haushalt.. ich weiß gerade echt nicht wo mir der Kopf steht. Zum Glück hab ich meine Mum an meiner Seite die mir jetzt auch hilft so gut sie nur kann. Doch jetzt kam der nächste Schlag mit dem Hammer als die Nachricht vom Tod von Arata kam und ich kann das noch immer nicht glauben. Er war während meiner Zeit in Japan immer für mich da gewesen und nun ist er einfach fort.. das kann doch nicht sein. Ich bin natürlich, mit meiner mum und meinen Kids nach Japan um mich von ihm zu verabschieden aber dadurch fing der Stress erst richtig an.

Alles begann an einem seltenen Tag im Februar. Es war der 29 Februar 1984 als Valerie, welche schon seit mehreren Stunden in den Wehen lag, zwei Kinder zur Welt brachte … von welchem sie allerdings nur eines behalten sollte. Der Direktor der Klinik und eine seiner Hebammen hatten mit dem zweitgeborenen Kind ganz andere Pläne. Sie täuschten der Mutter vor das ihre Tochter nicht lebend zur Welt gekommen war und da sie das erste Kind in den Armen und völlig neben sich stand bekam sie nicht mit wie einer der Anwesenden das Kind gegen ein totes austauschte. Während Valerie ihre erstgeborene Tochter das erste Mal richtig sah wurde das andere Baby auf eine andere Station gebracht und dort bereit gemacht um an ihre neue Familie verkauft zu werden.

Simmons, so hieß das Pärchen was ursprünglich aus Florida stammte. Ella hatte sich schon lange ein Kind gewünscht aber leider war ihr dies in all den Jahren verwehrt geblieben. Fitz konnte seine Frau nicht länger leiden sehen und setzte sich mit einer illegalen Bande in Los Angeles in Verbindung welche auch Babys verkauften. Es kostete ihn einige hundert tausend Dollar aber mit dem Verkauf seiner eigenen Firma konnte er sich dies leisten. So wurde Azalea, wie sie getauft wurde, schon nach wenigen Stunden zu ihrer neuen Familie gebracht und verließ wenig später in den Armen ihrer neuen Mutter den Staat. Fitz jedoch musste noch in LA bleiben wo er auch kurze Zeit später ermordet wurde, da die Männer mehr Geld wollten als abgemacht, immerhin war es ja die Tochter von Dwayne Morgan gewesen und Fitz konnte nicht mehr aufbringen.

Mutter und Tochter flogen nach Illinois, in das Örtchen Cairo wo Ella ihre eigenen Eltern besuchte um ihnen ihr Enkelkind zu zeigen. Die frischgebackene Mutter wusste das sie dort nicht lange bleiben sollte aber als ihr Mann einfach nicht zu ihr zurück kehrte ahnte sie das etwas schief gegangen war. Schon wenige Tage später erhielt sie einen Anruf von den Polizei aus LA und erfuhr das man ihren Mann tot aufgefunden hatte. Eine Welt brach für die Frau zusammen aber zusammen mit ihren Eltern konnte sie stark sein und das musste sie auch für das Baby. Ein ganzes Jahr blieb sie bei ihnen wohnen bis schließlich die ganzen Versicherungsfragen geklärt waren und sie die Lebensversicherung ihres Mannes ausgezahlt bekam.

Schon kurze Zeit später zogen die beiden schließlich nach Marathon, Grassy Key in Florida. Es war eine kleine Insel (3,65 km²) auf welcher ganze 974 Menschen lebten. Ella wollte an einen ruhigen und freundlichen Ort und genau diesen fand sie dort. Die ersten Wochen dort waren etwas ungewohnt aber die Nachbarn waren nett und äußerst hilfsbereit. Azalea fand sehr schnell ein paar Kinder in ihrem Alter mit denen sie zusammen im Sandkasten spielte. Oft gingen die Familien zusammen zum Strand um dort zu den Tag zu verbringen. Die Kinder bauten Sandburgen oder spielten unter Aufsicht etwas im Wasser. Doch Lea hingegen lief lieber am Strand entlang und sammelte Muscheln in den verschiedensten Farben und Formen um später daraus ein großen Bild zu machen, welches sie auch heute noch besitzt.

Schließlich kam das Mädchen in die Schule und neue Freunde kamen zu den alten dazu. Zur Einschulung bekam sie von ihrer Mutter ein Plüschtier geschenkt, es war ein braunschwarzer Schäferhund welchen sie von da an immer bei sich trug. Die Schule selbst machte den Mädchen sehr viel Spaß, allem voran der Sport- und Schwimmunterricht. Erst hatte sie ja nicht ins Wasser gehen wollen da es ihr auf unerklärliche Weise Angst bereitete. Aber nach ein paar Wochen ging es und letztendlich war Lea nicht mehr aus dem Wasser raus zu bekommen. Wenn es nach Lea gegangen wäre dann würde sie von morgens bis Abends im Wasser sein. Still irgendwo herum zu sitzen war etwas was das Mädchen einfach nicht leiden konnte aber manchmal musste auch dies sein.

Lea war von klein auf schon immer etwas anders gewesen als andere Kinder. Sie spürte Gefühle und Schmerzen die nicht ihre eigenen waren. Manchmal gingen ihr auch Gedanken durch den Kopf die für das Kind keinen Sinn ergaben. Einmal war sie mit ihrer Mum einkaufen und das machte ihr riesigen Spaß … als sie plötzlich und ohne Grund anfing zu weinen da sie tief traurig war. Da sie aber noch zu jung war und ihre Mutter dies herunterspielte kam sie nicht auf die Idee das mehr dahinter stecken musste. Doch am Anfang verstand sie das alles noch nicht mal im Ansatz und mit der Zeit gehörte es einfach zu ihr. Es war ein Teil und ohne diesen fühlt sie sich nicht mehr als ganzes. Noch während der Grundschule veränderte sich was für das Mädchen auch wenn es ihr zu dem Zeitpunkt noch gar nicht bewusst war. Es waren ihre Träume … sie waren nicht ihre eigenen. Immer wenn sie des Nachts einschlief war sie an einem völlig anderen Ort.
Zuerst sah sie in ihren Träumen nur irgendwelche Plätze und Schatten, aber mit der Zeit wurden daraus Personen mit denen sie nichts anfangen konnte. Sie sah dies auch nicht regelmäßig .. manchmal waren sie einfach da genauso wie Schmerzen und Gefühle mit denen sie nichts anfangen konnte.

Einige Zeit später entdeckte sie die rhythmische Gymnastik für sich und trat einer kleinen Gruppe bei. Unter den möglichen Gegenständen war das Band das was sie am liebsten nutzen wollte aber die Trainerin war der Meinung das sie es doch lieber mit dem Reifen versuchen sollte. Lea tat ihr den gefallen zumindest in der ersten Woche und bat die Trainerin dann erneut darum es mit dem Band zu versuchen. Sie war am Anfang die Einzige die es nutzen wollte und bekam ihre Chance. In den ersten Wochen war das gar nicht so einfach und das Band wollte ihr einfach nicht gehorchen, aber Lea gab nicht auf und trainierte immer weiter und das täglich. Bis sie an einem Tag vor Erschöpfung zusammenbrach und eine Zwangspause einlegen musste. Es stellte sich heraus das ein paar Mädchen in ihrer Gruppe sie nicht mochten und ihr eingeredet hatten das sie doch stärker auf ihre Figur achten musste weswegen sie einige Zeit nicht wirklich gegessen hatte und durch das viele Training hatte ihr Kreislauf nicht mehr mitgemacht.

Auch in der Highschool änderte sich nicht viel an der Situation. Mal verstanden sie sich zwar etwas besser aber dann gab es auch Tage wo Lea sich am liebsten einfach irgendwo verkrochen hätte. Und dann traf sie schließlich auf Tiffany, sie war ein Jahrgang über Lea aber die beiden verstanden sich und sie schien auch einige Probleme zu haben. Im Gegensatz zu Azalea jedoch hatte sie ein ganz persönliches Hobby zu welchem sie ihre Freundin auch gleich mitnahm. Ihr Weg führte sie zum DolphinResearch Center, in welchem die Eltern von Tiff arbeiteten. Lea konnte ihren Augen nicht trauen als sie die Delphine sah und die Möglichkeit erhielt mit ihnen zu schwimmen. Das lenkte sie von den ganzen Gemeinheiten ab und am liebsten wäre sie nie wieder aus dem Wasser gestiegen. Doch irgendwann war dieser Spaß zu Ende und da Tiffany´s Eltern sahen wie viel ihr dies bedeutete gaben sie ihr die Möglichkeit in ihrer Freizeit im Center zu arbeiten, was Lea auch gleich annahm.

Von da an war ihr Tagesablauf geregelt und vollgestopft. Morgens musste sie in die Schule, in den freien Stunden hatte sie ihr Gymnastiktraining und nach der Schule ging es zu den Delphinen. Am Abend nahm sich noch eine Stunde zum trainieren beziehungsweise zum Hausaufgaben machen, damit sie weiterhin gute Noten schrieb und die Tiere weiterhin besuchen konnte. Durch diesen Ablauf machte sie auch keine Gedanken über die Gefühle und Schmerzen die hin und wieder auftauchten. Bis sie dies mal mitten beim schwimmen mit den Delfinen verspürte und aufschrie. Tiffany war zu ihr geeilt um zu sehen was los war und Lea erzählte ihr davon. Tiff wollte ihr helfen heraus zu finden was das war oder viel mehr stachelte sie Lea dazu an. Schon nach ein paar Recherchen fanden sie heraus das es solche Symptome unter Zwillingen geben konnte weswegen Lea ihre Mutter fragte ob sie noch ein Kind hatte. Ella jedoch sagte nein und Lea und Tiffany suchten nach einer anderen Möglichkeit.

Doch nur wenige Zeit später, Azalea war gerade 18 Jahre alt sollte sich ihr Leben schlagartig verändern. Mit den Mädchen hatte sie sich ausgesprochen und sie hatten zusammen an einer Meisterschaft teilgenommen und sogar gewonnen. Die Stimmung war fröhlich als es mit dem Bus wieder nach Hause ging. Die Mädchen liefen durch den Bus und lachten, alberten herum … bis ein LKW in den Bus hineinfuhr und dieser sich fast gänzlich überschlug. Während der Bus auf die Seite kippte und über den Asphalt rutschte wurde zwei der Mädchen aus dem Fahrzeug geschleudert und landeten mit schweren Verletzungen auf der Straße. Der Wagen auf der Gegenspur konnte gerade so noch bremsen und rief einen Krankenwagen.

Beide wurden in die Klinik gebracht und dort ärztlich versorgt. Eine Not-Op stand wobei sie die kleine Lea zweimal wieder beleben musste. Es stand wirklich schlecht um sie und die Chancen das sie je wieder aus dem Koma, in welches sie gefallen waren, erwachten waren äußerst gering. Doch Ella gab ihre Tochter nicht auf und besuchte sie jeden Tag um einfach nur bei ihr sein zu können. Auch ihre Mitschüler und Sportkameraden waren des öfteren da um sie und ihre Freunde Mareille zu besuchen. Nach einem halben Jahr jedoch versagte das Herz von Mareille gänzlich und die Ärzte konnten rein gar nichts mehr für sie tun.

Lea allerdings kämpfte weiter und schaffte es nach ganzen neun Monaten wieder auf zu wachen. Die Ärzte waren überrascht darüber da sie die junge Frau schon längst aufgegeben hatten. Sie erfuhr von dem Tod von Mareille und der Tatsache das sie mehrere Monate im Koma lag. Diese vielen Informationen nahmen sie stark mit. Es brauchte noch einige Wochen in denen sie ein paar Therapien machen musste um wieder die zu werden die sie einst war. Mithilfe von Tiffany und den Delfinen jedoch klappte dies eindeutig besser als gedacht. Schon nach einem Jahr war es fast so als wäre nie etwas geschehen. Lea konnte sich an den Unfall selbst nur noch Bruchstückhaft erinnern und die ersten sagten das dies durchaus normal sei und man sie nicht dazu drängen sollte.

Es schien eine ganze Zeit alles in Ordnung zu sein. Im darauffolgenden Jahr machte sie ihren Führerschein und belegte ein paar Kurse die sie für ihren Wunschberuf braucht. Sie arbeitete nun richtig im Dolphin Center und hatte dort auch ein Schau, in welchen sie ihre rhythmische Gymnastik mit einfließen lassen konnte. Die Kinder und Erwachsenen, welche sie beim schwimmen mit den Delphinen begleitete mochte sie vom ersten Moment an und Lea ging in ihrer Arbeit voll und ganz auf. Das einzige was ihr noch fehlte war ein richtiger Freund aber in diesem Punkt hatte sie nie Glück gehabt. Sicher gab es viele Jungs die mit ihr ausgehen wollten aber Lea hatte im Gefühl das keiner von ihnen der richtige war.

Ja die Vergangenheit ruhte bis sie eines Abends nach Hause kam und ihre Mutter nicht daheim war. Es war der Abend nach Weihnachten 2012 als sie noch einmal das Haus verließ um ihre Mum zu suchen. Ihr Weg führte sie zu dem kleinen Betrieb in welchem sie arbeitete aber dort war niemand mehr. So suchte sie an vertrauten Orten und hörte einen Moment später einen Schrei aus einer Seitenstraße. Die Stimme war ihr vertraut und so lief sie gleich dorthin nur um zu sehen wie ein Ganove mit einem Messer auf ihre Mutter einstach und diese schwer verletzt in sich zusammen sackte. Während der Mann weglief eilte Lea zu ihrer Mutter und versuchte ihr zu helfen … doch es war bereits zu spät. Ihre Mutter starb an jenem Abend in dieser dunklen Straße.

Tiefe Trauer und Einsamkeit zog in ihrem Leben ein bis der Sylvesterabend des selben Jahres alles nur noch schlimmer werden ließ. Lea war alleine unterwegs am Strand gewesen wo es ein Fest gab, an welchem sie allerdings nicht teilnehmen wollte. Es war noch früh am Abend als sie schreiend und unter Schmerzen krümmte. Ihr ganzer Körper fühlte sich an als wäre er von Kugeln durchlöchert worden. Sie konnte sogar die Wärme des Blutes spüren was über ihren Körper floss. Doch da war nichts … ehe sie das jedoch realisierte brach sie regungslos zusammen. Die Partygäste hatten sie gehört und einen Krankenwagen gerufen, welcher sie ins Krankenhaus brachte. Sie konnten keine Verletzungen feststellen und versetzten sie in ein künstliches Koma.

Von jenem Tag an wanderte die junge Frau in der Traumwelt von Reika. Sie kann nicht aufwachen und irrt durch die dunklen Straßen des Dorfes. Vier ganze Wochen war sie auf sich allein gestellt. Die Geister die sie jagten machten ihr Angst und sie versuchte alles um endlich auf zu wachen. Dort traf sie auch auf Hazard ohne den sie wohl schon längst den Verstand verloren hätte. Die beiden lernten sich etwas kennen und Lea hatte das Gefühl ihm vertrauen zu können. So bat sie ihm um Hilfe.

Doch heute morgen versagte ihr Körper plötzlich und die Ärzte konnten auch kein Lebenszeichen mehr feststellen. Azalea galt als Tod und wurde ins Leichenschauhaus gebracht. Doch Lea war nicht tot … es wirkte nur so da sie kataleptisch war. Sie hörte die Menschen um sich herum. Die Stimmen. Die Schritte. Das klirren der Werkzeuge die sie benutzen ehe man sie in eine Kühlkammer steckte. Die Dunkelheit und Enge die sie nun umgibt macht ihr Angst. Aber ihr Körper will sich noch immer nicht bewegen.

“Bitte so helft mir doch!“

Es war Neujahr 1994 gewesen als meine Mutter ins Krankenhaus in Hastings gebracht worden war da ihre Wehen eingesetzt hatten. Alles sah danach aus das es sich nur noch um wenige Stunden handeln konnte doch es dauerte viel länger. Erst nach über 14 Stunden, genauer gesagt am 2. Januar um 4:19 kam ich zur Welt und meine Eltern hielten mich zum aller ersten Mal in den Arm. Die beiden wollten mich gar nicht mehr los lassen, aber nach den sanften Worten einer Schwester taten sie es und ich kam in ein anderes Zimmer. Mum und Dad sahen öfters nach mir oder ich wurde zu ihnen geschoben bis wir alle nach einer Woche endlich nach Hause konnten.

An die ersten Monate kann ich mich nicht wirklich erinnern aber es gibt dutzende Fotos aus dieser Zeit von mir. Meine Eltern mussten einfach alles mögliche fotografieren und in ein Album kleben, ich hab nicht mal eine wirkliche Ahnung wie viele Alben es mittlerweile gibt aber das spielt auch keine Rolle. Kommen wir mal wieder zu meiner Kindheit zurück. Wie jedes andere Kleinkind auch lernte ich krabbeln und laufen, wobei ich mit letzterem erst sehr spät angefangen habe. Worin ich allerdings ein Frühstarter war .. war essen, ich wollte schon früh selbstständig essen auch wenn dabei eigentlich immer etwas daneben gegangen war, aber den Löffel konnte ich nun mal noch nicht so ganz kontrollieren.

Während ich anfing die Welt um mich herum zu entdecken wurde ich natürlich auch immer größer und selbstständiger. Letzteres jedoch versuchte meine Mutter zu unterbinden in dem sie mich immer wie ein Baby behandelte. Ich durfte damals nicht mal alleine auf ein Klettergerüst klettern oder in Bällchenbäder gehen. Nein Mum kam immer mit und hielt meine Hand. Wenn ich ihr dann doch mal entwischen konnte fing sie mich sehr schnell wieder ein, aber das würde irgendwie zu einem kleinen Ritual für uns was sich eigentlich täglich wiederholte.

Als ich vier Jahre alt war kam ich in einen Kindergarten da meine Mutter eine neue Stelle in einem der Krankenhäuser bekommen hatte. Ich hatte mich schon innerhalb weniger Tage dort eingelebt und wollte gar nicht mehr weggehen. Mit den anderen Kindern verstand ich mich ausgezeichnet und wir machten eigentlich sehr viel quatsch, wobei wir auch immer wieder etwas doller aneinander gerieten und uns gegenseitig den einen oder anderen blauen Fleck verpasst hatten. Aber auch Prellungen, Kratzer und ähnliches waren ebenfalls nicht ausgeschlossen allerdings niemals wirklich gefährlich.

Einige Zeit später kam ich schließlich in die Schule und das war eine völlig neue Welt für mich gewesen, was zum einen aber auch daran gelegen hatte das wir kurze Zeit vorher an den Stadtrand gezogen waren und ich so nicht in die selbe Schule gehen konnte wie die Kinder aus dem Kindergarten. Aber dafür traf ich Jimmy und Larry, zwei Jungs mit denen ich mich sofort wunderbar verstanden habe. Ich verbrachte viel Zeit mit ihnen und wir waren eigentlich immer unterwegs gewesen. Unser Lieblingsort war der Comicladen drei Straßen weiter wo wir immer so lange blieben bis der Besitzer die Nase voll von uns gehabt und uns raus geschmissen hatte. Wenn wir nicht dort waren dann haben wir Filme geschaut und die verschiedensten Spiele wie Dungeon & Dragons gespielt.

In der Schule selbst waren wir drei eher Außenseiter gewesen aber das haben wir gern einfach mal ignoriert. Mal ehrlich es bringt doch nichts sich da aufzuregen und zu versuchen sich dagegen zu wehren. Ignorieren ist da die Beste und einfachste Lösung aber am Ende haben sie einen dann schließlich auch in Ruhe gelassen. Als wir in der vierten oder fünften Klasse gewesen waren kamen wir auf die Idee unsere Interessen und unser Wissen zu vereinen und so entstanden Alben über unsere Lieblingscomichelden und etwas später begangen wir damit uns mit Dinosaurier und anderen Uhrzeitgeschöpfen zu befassen und diese Informationen zu sammeln. Wir entwickelten im Laufe der Jahre eine detaillierte Datenbank und ich entdeckte meine Vorliebe für die Paläontologie.

In der sechsten Klasse lernte ich Michelle kennen, sie war neue auf die Schule gekommen und saß direkt neben mir da kein weiterer Platz frei gewesen war. Ich mochte sie eigentlich vom ersten Tag an und wir würden so etwas wie Freunde .. gute Freunde. Michelle kam sogar manchmal mit zu uns und half uns bei der Datenbank und das obwohl sie sich dafür nicht im geringsten interessiert hatte. Im Gegenzug dafür halfen wir ihr beim Schulstoff und zeigten ihr die Stadt. Es war wahrlich eine tolle Zeit gewesen in der wir auch hin und wieder ganz schöne Dummheiten angestellt haben.

Irgendwann kam ich schließlich in die Oberschule und da fing der Horror erst richtig an. Jimmy. Larry und ich waren auch dort wieder Außenseiter und die Sprüche die wir uns tagtäglich anhören konnten hatten es echt in sich gehabt. Doch davon ließen wir uns nicht unterkriegen und das hatten die älteren Schüler natürlich schnell gemerkt weswegen sie noch einen drauf setzen mussten. So landeten wir öfter mal mit dem Kopf in der Kloschüssel, mussten in Unterhose durch die Schule laufen, landeten mit dem Gesicht in unserem Mittagessen oder aber sie steckten uns Ratten und Mäuse in unsere Spinde. Die Aufzählung könnte ich jetzt noch ewig so weiter führen aber das wollt ihr sicher gar nicht so genau wissen, aber ihr könnt mir glauben denen ist wahrlich viel eingefallen.

Der nächste harte Schlag kam als ich 14 Jahre alt war. Der Kontakt zu Michelle war immer weniger geworden und sie hatte ihr Interesse fürs Cheerleading entdeckt gehabt und darin war sie echt gut das kann man nicht anders sagen. Doch wir passten nicht mehr in ihre Welt zu mal sie mit einem der Footballspieler zusammen war, welcher derjenige war der uns das Leben so schwer machte. Damit konnte ich eigentlich noch Leben zumindest bis zu dem Tag als wir einen Schulausflug ins Museum machten worauf ich mich sehr gefreut hatte. Dort allerdings waren die Jungs der Meinung gewesen mich KO zu schlagen und in einen Abstellraum einzusperren. Als ich in völliger Dunkelheit wieder zu mir gekommen war wusste ich gar nicht was geschehen war und wollte einfach nur noch nach Hause. Der Weg durch das Museum im Dunkeln war für mich der Horror gewesen da ich immer wieder das Gefühl gehabt hatte das sich die Dinge um mich herum bewegten. Erst am nächsten Morgen wurde ich vom Reinigungspersonal gefunden und von der Polizei nach Hause gebracht. Seitdem meide ich Museen.

Ein Jahr später hatte ich schließlich meinen Schulabschluss in der Tasche gehabt und hing noch zwei Jahre dran um die sogenannte „Sixth form“, ist so etwas wie das Abitur in Deutschland, abzuschließen. Das schaffte ich auch ohne Probleme und Ärger bekam ich auch keinen mehr da die Typen das gar nicht in Betracht gezogen hatten. Währenddessen bewarb ich mich an verschiedenen Universitäten um Paläontologie zu studieren und am Ende führte mich mein Weg an die University of London. Meine Eltern finanzierten mir neben dem Studium auch eine kleine Wohnung, naja viel mehr verdanke ich es meiner Mutter da mein Vater es lieber gesehen hätte wenn ich in seine Fußstapfen getreten wäre. Aber ich bin einfach nicht der Typ der in einem teuren Anzug in einer Bank sitzt und sich um finanzielle Dinge Gedanken macht. Irgendwann wird er es hoffentlich verstehen und akzeptieren.

Naja wie dem auch sei. Ich konzentrierte mich auch das Studium und lernte dabei noch viel mehr über die Lebensformen aus der Vergangenheit. Es war und ist auch heute noch ein Thema welches mich interessiert und mich förmlich in den Bann zieht. Meine beiden Freunde hingegen studierten Weltgeschichte und noch irgendetwas wodurch sie naja ein wenig abdrehten und Verschwörungstheorien entwickelten die sich auf die ganze Welt bezogen. Ihre Wohnung war voller Zeitungsartikel und Berichten von unerklärlichen Ereignissen die die Regierungen alle vertuscht hatten und da waren Sachen bei gewesen die einen doch schon nachdenklich hatten werden lassen. Doch ich ließ mich da nicht zu sehr hineinziehen auch wenn ich bei manchen Dingen zustimmen musste.

Vor fünf Tagen erhielt ich jedoch einen Anruf von einem Kollegen meiner Mutter angerufen der mir mitteilte das man sie ins Krankenhaus eingeliefert hatte, aber alle Hilfe schon zu spät war. Sie war mit dem Zug auf dem Weg zu mir gewesen gewesen als dieser entgleiste. Dutzende Menschen waren ums Leben gekommen und meine Mutter war eine von den Personen gewesen. Das warf sowohl meinen Vater als auch mich aus der Bahn und kurz darauf bin ich in dieser Albtraumwelt gelandet.

Daryls Geburt im November 1979 war sicher nicht das, was Valerie sich ersehnt hatte. Kinder waren ihr schon immer egal gewesen, da man mit ihnen einfach nichts anfangen konnte. Warum sie überhaupt erst schwanger wurde, nun darüber lässt sich nur spekulieren. Aber man erzählt sich das sie und Dwayne in einem langsamen Fahrstuhl mal kein Kondom zur Hand hatten.
Naja, wie auch immer. Fakt ist das der kleine Daryl – oder viel mehr Daryl – jetzt nun einmal auf der Welt war und eine der reichsten Familien von Los Angeles Zuwachs bekam. Es dürfte allerdings nicht weiter verwundern das der Junge mehr von seiner Nanny Martha aufgezogen wurde, als von seinen eigenen Eltern. Die beiden hatten nämlich genug damit zu tun ihr Drogenkartell weiter auszubauen um auch in anderen Bundesstaaten der USA festen Stand in der Unterwelt zu entwickeln.

Davon bekam Daryl in dieser Zeit allerdings nicht viel mit. Sicher haben seine Kinderaugen auch schon mit zwei Jahren hier und da einen Mord mit angesehen wenn Dwayne Verräter oder Spitzel enttarnt hatte, aber das nahm er noch nicht richtig wahr. Die Bedeutung dessen was da geschah, war ihm einfach noch nicht bewusst. Stattdessen lernte er sprechen, krabbeln und laufen. Das er in diesen Monaten eine enge Bindung zu Martha aufbaute war im Zuge all dessen eine logische Konsequenz … die von seinen Eltern auch toleriert wurde. Das die Dunkelhaarige zur Blood Hawk Gang gehörte, dagegen nicht. In der Unterwelt LA's wird mit harten Bandagen gekämpft und Ethik spielt dabei keine Rolle. Nach Daryls Geburt schleuste Martha sich als Kindermädchen mehr oder weniger in die Reihen der Branded Weapons ein um an Informationen bezüglich geplanter Geschäfte, Treffpunkte und Lieferungen zu kommen.
Der Mord an seiner Nanny war der erste, der Daryl im Gedächtnis geblieben ist. Dwayne bestand darauf das sein Sohn anwesend war, während er ihr im Salon seines Hauses eine Kugel zwischen die Augen setzte. Der Junge sollte daraus lernen niemandem sein Vertrauen zu schenken, denn meist sind es die am nächsten stehenden Personen die einen zu Fall bringen.

Damals zu Jung um die Botschaft seines Vaters zu verstehen, trauerte der Dreijährige um seine engste Bezugsperson und weigerte sich ihre Nachfolgerin anzunehmen, die Dwayne dieses Mal noch sehr viel genaueren Prüfungen unterzog. Nie wieder wollte er ein Mitglied einer verfeindeten Gang in seinem Haus, oder in der Nähe seines Sohnes. Und schon gar nicht in der Nähe seiner Geschäfte.
Das Daryl sich wegen dem Tod der Schlampe so anstellte gefiel dem Drogenbaron gar nicht und er beschloss sich der Sache selbst anzunehmen. Hier sei angemerkt das eine einzige Maßregelung ausreichte um den Jungen so einzuschüchtern das er seine Gefühle von da an für sich behielt. Denn eines tat Daryl schon immer: Er lernte ausgesprochen schnell. Nur sollte ihm diese Eigenschaft bei einem anderen Problem nicht helfen. Martha war nämlich nicht gegangen, sondern hielt sich noch immer im Haus auf. Manchmal saß sie in einem der großen Sessel im Salon und summte Lieder vor sich her, oder sie ging durch's Haus als würde sie nach etwas suchen.

Daryl verstand nicht warum sein Vater darauf bestand er solle sich dem anderen Kindermädchen gegenüber benehmen und auf sie hören, wenn Martha doch gar nicht fort war wie er es immer behauptete. Doch nachdem Dwayne seinen Standpunkt sehr deutlich klar gemacht hatte, wagte der Junge es nicht mehr ihn darauf anzusprechen. Und irgendwann nahm er es einfach hin. Auch das Martha nicht mehr mit ihm sprach, sondern ihn ab und zu einfach nur anstarrte. Manchmal wenn sie Nachts in seinem Zimmer stand bekam er Angst vor ihr und forderte sie auf zu gehen, bevor er sich unter der Decke versteckte bis der Morgen graute. Und was die andere Frau anging, fügte er sich dem Willen seines Vaters und besserte sein Verhalten, auch wenn er sich an manchen Tagen trotzdem mit in den Salon setzte wenn Martha wieder anfing ihr Lied zu summen.

Am Anfang des darauffolgenden Jahres wurde dann seine kleine Schwester geboren. Vom ersten Moment an eroberte Ilea sein Herz, sodass er keine Sekunde von ihrer Seite zu weichen schien. Besonders wenn Martha in der Nähe war. Anfangs erzählte er seiner Schwester noch wer die blasse Frau in der Zimmerecke war, auch wenn die ihn logischerweise nicht verstand. Doch gleichzeitig gefiel ihm nicht wie sein altes Kindermädchen Ilea anstarrte. Er kannte diesen Blick und als die Kleine dann auch noch immer anfing zu weinen, veränderte sich auch sein Verhalten Martha gegenüber. Diese Situation, in der Daryl ganz allein war, da er niemandem von all dem erzählen wollte, war der Grundstein für seine Entwicklung seiner Schwester gegenüber. Er wollte sie beschützen und war im Falle von der toten Nanny auch der Einzige der es konnte. Nicht das ihm das damals so richtig bewusst war, aber er merkte irgendwann schon das etwas an der ganzen Sache nicht stimmte.

So entwickelte Daryl einen enormen Beschützerinstinkt seiner Schwester gegenüber. Im Kindesalter brachte er die Kleine außer Reichweite des Kindermädchens und später in der Schule achtete er darauf das ihr keine anderen Schüler das Leben schwer machten. Anfangs bemerkte auch Ilea die Anwesenheit des Geistes eindeutig, doch mit den Jahren verblasste diese Wahrnehmung und irgendwann reagierte sie kaum noch darauf. Lediglich die Blicke der Toten schien sie spüren zu können.
Bei seiner Schwester blieb Daryl der liebende Bruder, während er sich ansonsten in eine gänzlich andere Richtung entwickelte. Er wurde distanziert, arrogant und kalt anderen gegenüber. Das verschaffte ihm zwar eine gewisse Coolness die besonders bei den Mädchen außerordentlich gut ankam und er hatte auch reichlich Freunde, doch all das war oberflächlich. Es gab keinen Außenstehenden der wirklich an ihn ran kam, oder dem er sich in irgendeiner Weise verpflichtet fühlte. Er spielte im Football-Team der Schule und hielt seine Noten im oberen Durchschnitt. Für Dwayne war das in Ordnung, denn er hatte die Zukunft seines Sohnes ohnehin bereits verplant.

Noch während seiner Zeit an der High School stieg er richtig in die Familiengeschäfte mit ein und mit 15 erschoss er sein erstes feindliches Bandenmitglied. Ilea dagegen hatte mit den Machenschaften des Kartells nichts zu tun. Zwar bewegte auch sie sich in den Kreisen der Unterwelt, doch an ihren Händen klebte nie Blut und das war auch gut so.
Im Laufe der vergangenen Jahre hatte sich auch bei Daryl etwas an seiner Wahrnehmung verändert. Die Intensität seiner Fähigkeit war zurück gegangen. So nahm er Martha beispielsweise zwar noch wahr, sah sie aber nicht mehr so detailliert wie früher. Jetzt hörte er nur noch ihr Summen, oder spürte den Blick der auf ihm ruhte. Manchmal glaubte er sogar eine Bewegung aus dem Augenwinkel zu erkennen, war sich dessen aber nie wirklich sicher. Nur zwei Dinge wusste er. Sie war noch immer da und er war wirklich der Einzige der das wusste. Diese Erkenntnis zermürbte ihn innerlich, denn sie bedeutete zweifelsfrei das er nicht normal war. Sein ehemaliges Kindermädchen war tot und dennoch weiterhin unter ihnen .. als Geist. Das machte ihm Angst, auch wenn er es nicht zugeben wollte. Doch wem sollte er sich anvertrauen? Man würde ihn für verrückt halten, was er mit der Zeit glaubte tatsächlich zu werden.

Immer öfter nahm er etwas wahr, was eigentlich nicht da sein sollte. Nicht nur in seinem Elternhaus, sondern überall. Wie aus dem Nichts kam die Kälte, die seinen Rücken hinauf kroch und seine Nackenhaare aufstellte. Die Stimmen, die leise flüsterten und die er – wann immer möglich – mit lauter Musik versuchte zu übertönen. Nachts auf der Straße streifte ihn etwas obwohl niemand da war, oder Schatten schälten sich aus anderen Schatten heraus. Irgendwann wurde es so schlimm das Daryl nicht mehr zur Ruhe kam. Ständig glaubte er etwas zu sehen oder zu hören. Er wurde schreckhafter und verlor schließlich immer wieder die Nerven wenn er allein war. Der Druck mit all dem allein fertig werden zu müssen erstickte ihn innerlich.
Ilea blieb das natürlich nicht verborgen. Sie kannte ihren Bruder gut genug um zu merken das etwas mit ihm nicht stimmte. Es gelang ihr nach vielen Versuchen schlussendlich doch ihn dazu zu bewegen mit ihr zu sprechen und entgegen Daryls Erwartungen verurteilte sie ihn nicht. Selbstverständlich spielte sie mit dem Gedanken an eine Psychose oder ähnliches, aber als er von Martha erzählte erinnerte auch sie sich verschwommen an die Erscheinung der blassen Frau, die durch die Flure wanderte.

Um ihm irgendwie zu helfen schlug Ilea vor, Daryl in die Wüste zu Chase zu schicken. Der Halbire lebte dort auf einem Flugzeugfriedhof und schlachtete dort mitunter ausrangierte Airbusse, Kriegsflieger und Privatmaschinen aus. Das Gelände lag so abgelegen das sie glaubte Daryl würde dort erst einmal wieder zur Ruhe und letztendlich auch wieder zu sich selbst finden können. Sie konnte sogar ihren Vater davon überzeugen, da der Friedhof ebenfalls unter seiner Kontrolle stand und sein Sohn wissen musste was sich dort abspielte. Immerhin sollte all das was Dwayne im Augenblick besaß irgendwann ihm gehören.
Also war es beschlossene Sache und Daryl fand sich schon kurze Zeit später inmitten der Mojave-Wüste wieder. Ilea hatte auf jeden Fall Recht behalten. Das Gelände mit den toten Blechvögeln lag so weit ab vom Schuss das er sich wegen übernatürlichen Erscheinungen keine Sorgen machen musste.

Als er Chase das erste Mal begegnete gerieten sie - wie kaum anders zu erwarten war - aneinander. Damals hätte Daryl nicht geglaubt ausgerechnet in ihm so etwas wie einen Freund zu finden, auch wenn er ihr Verhältnis eher unter gute Bekanntschaft einstuft. Fakt ist aber das sie sich bald aneinander gewöhnten und ein gutes Team bei der Arbeit bildeten. Von Chase erfuhr Daryl auch das er Ilea in LA bei Abgabe einer großen Drogenlieferung zufällig kennen lernte und sie sich seitdem öfter getroffen hätten. Das er davon nicht gewusst hatte, schmeckte dem Blondhaarigen gar nicht. Aber er musste auch einräumen das Chase nun wirklich nicht die schlechteste Wahl war. Was seine Schwester anging zählte für ihn der Charakter des Typen und nicht sein Kontostand, obwohl er sicher nicht zugelassen hätte das sie in einen ausgeschlachteten, umgebauten Airbus zog!

Neben der Arbeit auf dem Gelände schloss Daryl sich auch bei Chase' eigentlichem Job an. Mit seinem eigenen Flieger gehörte er zu den Mittelsmännern, die unter anderem für den Import von Heroin und Kokain verantwortlich waren. Dafür flog er regelmäßig in Lateinamerikanische Länder wie Kolumbien und Bolivien, in denen die Drogen hergestellt wurden. Je nachdem wie die Geschäfte aussahen bildeten aber auch Durchgangsländer wie Brasilien, Mexico und Chile sein Ziel.
Als 2009 dann ein Deal in Argentinien platzte und Chase ins Kreuzfeuer zwischen örtlicher Polizei und Dealern geriet, war er sicherlich nicht bestürzt darüber das Daryl sich ihm nach seinem Aufenthalt auf dem Friedhof öfter anschloss. Es gelang ihnen sich bis zum Flugplatz durchzuschlagen, wo Daryl den Vogel praktisch in letzter Sekunde noch in die Luft bekam.

Vor ein paar Jahren war Daryl bereits mit seiner Schwester in ein eigenes Loft gezogen und bald darauf vertraute sein Vater ihm auch endlich seinen eigenen Bereich innerhalb des Kartells vollständig an. Seitdem war er für das Rotlichtmillieu ihres Gebietes verantwortlich, wo Ilea ihn auch hin und wieder besuchte, den Mädchen half mit ihrer Situation zurecht zu kommen - ohne sich in die Geschäfte einzumischen - und auch den einen oder anderen Zuhälter an ihn verpfiff, der sich nicht an die regeln hielt.
Im Februar 2012 schenkte er ihr dann eine Yacht, die Sunlike. In Anlehnung an Ileas Namensbedeutung. Seine Schwester war unglaublich gern auf dem Meer und fiel ihm vor Freude um den Hals, bevor sie die Neuerrungenschaft einweihten und an der Westküste entlang fegten. Laut Ileas Worten war das ihr schönster Geburtstag … und auch ihr letzter gewesen.
Am 31. Dezember des gleichen Jahres waren sie und Daryl auf dem Weg zu einer Party. Der Edel-Club lag nur wenige Blocks entfernt, sodass sie beschlossen zu Fuß zu gehen. Ein folgenschwerer Fehler, den Daryl sich bis heute nicht verzeiht. Ilea lief am Straßenrand, wodurch sie die Schüsse direkt trafen, die aus einem schwarzen Van abgefeuert wurden. Daryl selbst wurde nur an Arm, Schulter und Becken getroffen, während seine Schwester neben ihm sofort zusammen sackte.

Er fing sie noch auf, versuchte sie wach zu halten und die Blutungen zu stillen, doch es waren zu viele. Die rote Flüssigkeit rann durch seine Finger wie Wasser. Unaufhaltsam und unerbittlich. Während Tränen seinen eigenen Blick verschleierten, konnte er die Erkenntnis in ihren Augen lesen. Sie wusste was geschehen würde und das es nicht zu verhindern war. Weder für ihn, noch sonst jemanden. Mit letzter Kraft versuchte sie etwas zu sagen. Tröstende Worte, die in einem Gurgeln aus Blut untergingen, bevor ihr Körper erschlaffte und ihr Blick brach.
Irgendjemand musste Polizei und Notarzt verständigt haben, denn das war das nächste das Daryl ansatzweise mitbekam. Der Versuch ihn von seiner Schwester zu trennen endete in verzweifelter Gegenwehr, bis auch ihn der Blutverlust seiner eigenen Verletzungen in eine erlösende Schwärze katapultierte.

Danach war nichts mehr wie vorher. Alles erinnerte ihn an Ilea, vor allem wenn er sich in seiner Wohnung aufhielt. Der Gedanke sie nie wieder zu sehen war so unerträglich, das Daryl sich einfach vor der Wahrheit verschloss. Er wollte diesen Schmerz nicht empfinden. Die Leere, die seine Schwester hinterlassen hatte. Ilea war die einzige Person in seinem Leben, für die er bereit war alles zu tun. Die einzige, die ihm alles bedeutete.
Anfangs versuchte er sich mit Alkohol zu betäuben. Und als das nichts brachte stürzte er sich Hals über Kopf in die Arbeit, biss sich an allen Aufgaben fest und hielt Ausschau nach den Männern, die ihm das wichtigste genommen hatten. Zwar fand er sie auf der Straße nicht, doch es dauerte nicht lange bis klar war das der Anschlag von der Akatashi Group kam. Die Schlitzaugen machten ihnen schon eine ganze Weile Ärger und im Laufe der letzten Jahre war in Kämpfen viel Blut geflossen. Doch mit Ileas Ermordung hatten sie einen ganz persönlichen Krieg angefangen, den die Branded Weapons ihnen mit jedem Penny zurück zahlten.

Daryl steigerte sich so in diese Rachekämpfe hinein, das er alles andere aus den Augen verlor. In nur einem Monat wurden Downtown's Straßen zu einer wahren Schlachtbank, bis den Blonden ein Ereignis schlagartig wieder auf den Boden holte. Ein Attentat aus einem vorbei fahrenden Wagen heraus. Daryl stand nur wenige Meter weiter hinter den Opfern, als sie mit unzähligen Schüssen nieder gestreckt wurden. Unmengen von Blut breitete sich auf dem Asphalt aus, doch in seiner Erinnerung war es nicht das dieser Fremden … sondern Ileas. Panik brach auf der Straße aus. Fassungslose, ängstliche Stimmen mischten sich mit Schreien und den Geräuschen des nahenden Todes.
Unendlich lang stand Daryl einfach nur da, während ihn die Erinnerungen überschwemmten die er so mühsam verdrängt hatte. Bis er sich plötzlich in Bewegung setzte und los rannte. Weg von dem Ort des Todes, hinein in eine dunkle Seitengasse. Zitternd lehnte er an der Wand … als er sie plötzlich sah. Ilea.

Nicht weit von ihm entfernt stand sie in der Gasse. Zu beiden Seiten erhoben sich Häuserwände und hüllten sie in Halbschatten, doch Daryl erkannte sie trotzdem. Er reif ihren Namen. Erst zögernd, dann hoffnungsvoll und letztendlich fordernd, als sie sich einfach umdrehte und ging. Verwirrt rannte Daryl ihr nach, immer den Blick auf die Gestalt seiner Schwester, der er einfach nicht näher kam. Er registrierte nicht das sich die Hauswände in mächtige, eng beieinander stehende Bäume wandelte. Er nahm auch die Kälte nicht wahr die mit diesem Ort einher ging. Das Böse, das in ihm lauerte. Alles woran er dachte war Ilea, die plötzlich nicht mehr zu sehen war. Stattdessen fand Daryl sich auf einer Art Lichtung wieder. Ein Hügel, zu dessen Füßen sich ein dunkles Dorf ausbreitete. Irgendwo in der Ferne hörte er ein Glockenspiel, das eine traurige Melodie zu ihm trug. Angezogen von der Wehmut und Traurigkeit darin, folgte er dem Pfad hinunter durch ein rotes Tor ins Dorf hinein.

Doch auf das was ihn dort erwartete war der Blonde nicht vorbereitet. Als der Bann dieses Ortes nachließ und ihm die bedrohliche Atmosphäre bewusst wurde, war es bereits zu spät. Alles war er noch hörte war ein röchelnder Atem und Eiseskälte in seinem Nacken, wo ihn schlanke Finger berührten. Danach verschwimmt seine Erinnerung an die erste Nacht. Er war gerannt, während ihn etwas verfolgte. Welchen Weg er nahm, das weiß er nicht mehr. Doch er führte ihn immer tiefer in den Dorf hinein, bis er schweißgebadet aufwachte und ein stechender Schmerz durch seinen Nacken fuhr, wo sich das Mal Reikas zeigte.
Seitdem sind jetzt 15 Tage vergangen, in denen er jedes Mal auf neue in diesem Dorf landete sobald er einschlief. Es dauerte nicht lange bis ihm klar war dass das kein einfacher Traum sein kann und er etwas unternehmen muss um das zu beenden. Es gelang ihm schon sich ein bisschen genauer in dem Dorf umzusehen und dabei traf er auch auf andere Personen. Genauer gesagt zwei. Eine war eine vollkommen verstörte Frau, die nur noch unverständliches Zeug vor sich hin brabbelte. Die andere dagegen riss Daryl erneut den Boden weg. Die junge Frau sieht aus wie seine Schwester. Es sind nicht nur einfache Ähnlichkeiten vorhanden, sondern sie gleicht Ilea bis auf's Haar.

Es ist beinahe unerträglich in ihrer Nähe zu sein, doch Daryl kann nicht anders. Azalea erinnert ihn so stark an seine kleine Schwester, das er nicht in der Lage ist sich von ihr abzuwenden. Stattdessen beschützt er sie jedes Mal wenn sie gemeinsam in dieser Welt gefangen sind, in der Hoffnung das er Ausweg aus diesem Alptraum findet.
Zumindest konnte er schonmal herausfinden wer Azalea ist und wo er sie finden kann. Denn eines steht fest … ihnen läuft die Zeit davon. Die andere Frau die anfangs bei ihnen war, starb vor ein paar Nächten und hinterließ nicht mehr als einen Abdruck bestehend aus Asche an der Stelle, an der sie gelegen hatte.

wächst in einem Vorort von L.A. auf, wo der kleine Wirbelwind die Nachbarschaft ein wenig aufmischt | wohnt nicht im besten Viertel, auch wenn dort Nachbarschaft noch gelebt wird und er eine glückliche Kindheit verlebt | besucht keinen Kindergarten, sondern wird mit den anderen Kindern in der Nachbarschaft groß gezogen, wenn er nicht durch die Geldfälscher Werkstatt seines Vaters tobt, welcher noch heute einen guten Ruf in der Szene hat | mag die Schule nicht, schafft jedoch seinen Highschool Abschluss, auch wenn seine Eltern öfters mal in der Schule antanzen durften, nicht dass das etwas an seinem Verhalten änderte | auch wenn er, wie die anderen in seiner Klasse, hin und wieder über die Strenge schlägt, sorgen sie dafür dass das Viertel sauber bleibt und es nie zu ernsthaften Verletzungen auf dem Schulhof kommt | beginnt im Supermarkt, oder in der Werkstatt seines Vaters auszuhelfen, während seine Mutter sich Sorgen um die Zukunft ihres Sohnes macht | lernt auf der Straße zu überleben, auch wenn seine Mutter ihn jeden Sonntag zum Gottesdienst schleift | schlägt sich nach der Schule mit div. Gelegenheitsjobs durch und gelangt so immer weiter auf die andere Seite des Gesetzes | lernt Erics Mutter auf einer Party kennen, wo sie, nach etwas zuviel Alkohol, im Bett landen und er kurz darauf erfährt, dass er Vater wird | als Eric zur Welt kommt, beginnt er sich um ihn zu kümmern, nachdem seine Mutter kaum Interesse an ihrem Kind zeigt und auch später derKontakt abbricht | überlegt in diesem Augenblick ein normales Leben für seinen Sohn zu führen, als er merkt, dass Eric krank ist | es dauert eine Weile um heraus zu finden, dass sein Sohn an Leukämie erkrankt ist und die Zeit zwischen Hoffen und Bangen nicht nur viel Kraft, sondern auch Geld kosten wird | um die Kosten fürs Krankenhaus weiter decken zu können, lässt Van sich erneut auf dunkle Geschäfte ein, ehe er schließlich erwischt und verhaftet wird | wird schließlich zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, während seine Freunde draußen dafür Sorge tragen, dass Erics Behandlung weiter laufen kann | ist immer noch im Gefängnis, als sein Vater ihn aufsucht und ihm sagt, dass sich Erics Zustand weiter verschlechtert, während ih die Gerichte verbieten sein Kind noch einmal zu sehen | landet in der Iso, als er auf den Staatsanwalt los geht, wo er immer noch ist, als sein Sohn schließlich stirbt | während die Anwälte daran arbeiten, dass er wenigstens zur Beerdigung darf, beginnen die Alpträume, die sich Van noch nicht so ganz erklären kann, auch wenn er sehr wohl weiß dass es die Stimme seines Sohnes war, die ihn dorthin geführt hat

Meine ganz eigene Geschichte begann am 13. August 1989 in einem Tokioter Krankenhaus. Okāsan (Mutter) war in dieses am Morgen gebracht worden als bei ihr die Wehen eingesetzt hatten. Otōsan (Vater) hatte schon im Vorfeld eine Tasche gepackt damit im Notfall alles schnell gehen konnte und das war ihnen zu gute gekommen. Im Krankenhaus selbst hatte es gar nicht so lange gedauert bis ich meinen ersten Schrei von mir gab und meine Eltern mich überglücklich im Arm halten konnten. Natürlich hatte Otōsan auch an seine Kamera gedacht und so wurde das erste Foto von mir schon nach wenigen Minuten gemacht. Das Bild haben sie sogar eingerahmt in ihrem Schlafzimmer zu hängen.

Schon kurze Zeit später ging es nach Hause in eine kleine Wohnung in einem Hochhaus. Meine Mutter ging nicht arbeiten da sie auf einem Auge erblindet war als sie noch zur Schule ging. Was dort genau passiert ist hat sie mir nie erzählt. Dafür hab ich immer gehört wie die beiden sich kennen gelernt hatten. Otōsan hatte ein Foto von ihr gemacht als sie weinend im Park gesessen hatte und sie dann auf einen Crêpe eingeladen worüber sie auch heute noch oft reden. Wo war ich stehen geblieben? Ich kam wie gesagt nach Hause und schlief die erste Zeit im Schlafzimmer da es wirklich sehr beengt bei uns war. Otōsan arbeitete hart aber wirklich viele Aufträge hatte er zu jener Zeit nicht.

So vergingen die ersten Wochen und Monate eigentlich wie im Flug. Ich brabbelte täglich vor mir hin und erzählte allen wohl eine Geschichte die keiner Verstand. Ich lernte krabbeln, laufen, sprechen, alleine zu essen und aufs Töpfchen zu gehen. Die genaue Reihenfolge weiß ich jetzt jedoch nicht aus dem Kopf. Irgendwann als ich so drei oder vier Jahre alt war ging es meiner Okāsan wirklich nicht gut und so musste Otōsan mich zu einem wichtigen Fototermin mitnehmen. Ich versprach auf meine kindliche Art zu der Zeit das ich lieb sein würde aber vor Ort war natürlich alles interessant gewesen. Vor allem diese Bühne auf welcher die Kinder, die ein wenig älter als ich waren auf und ab ließen. Es ging damals um das neue Gesicht für irgendeinen Kinderkatalog .. tja und die Verlegerin hat mich dann entdeckt und meinen Otōsan ein interessantes Angebot gemacht. Sie wollte mich für die Kampagne und er sollte die Fotos machen dürfen. Das war fast ein doppeltes Gehalt und das konnten wir damals wirklich gebrauchen.

Zu Hause hatte er mit Okāsan darüber gesprochen und nach einigem hin und her hatten sie schließlich zu gesagt. So stieg ich dann wohl in diese Modelbranche ein. Am Anfang war das einfach nur ein Spiel für mich was wirklich Spaß machte. Ich bekam tolle Sachen und wurde geschminkt, ich glaube das wünscht sich fast jedes Kind. Ich kam zwar in einen Kindergarten aber durch die vielen Fototermine war ich nur selten dort. Wir konnten uns dadurch allerdings ein Haus leisten in einem ruhigen Teil Tokyos was vor allem Okāsan freute. Mit den Nachbarn dort verstanden wir uns gut und Okāsan fand einige Freundinnen die ebenfalls Kinder hatten.

Wir reisten auch oft durch Japan um an bestimmten Orten Fotos zu machen. So ging es an die Küste oder zum Fuji, in die Wälder oder auf großen Blumenfelder. Es war vieles dabei und es war auch schön, aber ich wollte etwas anderes. Ich bekam in den Wochen bevor ich zur Schule gehen sollte die Kamera meines Otōsan in die Hände und musste natürlich damit herum spielen. Ich wollte auch so tolle Bilder wie er machen und als er mich damit erwischte war er erst wütend aber als ich sagte das ich auch Fotografin werden wollte konnte ich ihn lächeln sehen. Aber vor erst musste ich noch einige Modelaufträge entgegen nehmen während Otōsan mir neben erklärte und zeigte wie ich richtig mit einer Kamera umgehen sollte.

Und dann kam ich endlich in die Schule. Ich hatte schon Tage zuvor die Schuluniform bekommen und wollte sie am liebsten gar nicht mehr ausziehen. An meinem ersten Tag schenkte Otōsan mir eine .. meine erste eigenen Kamera mit welcher ich den Tag in der Schule genau festhalten wollte. Ich war froh das ich überhaupt dorthin gehen konnte, immerhin hatte man mir auch die Möglichkeit für einen Privatlehrer gegeben, aber ich wollte mit anderen Kindern zusammen sein und vor allem wollte ich fotografieren. Die Modelaufträge wurden weniger, aber sie hörten nicht komplett auf. Für mich war das gut da ich mich so auf die Schule und auf meine Freunde konzentrieren konnte.

Ein paar der Schüler kannten mich jedoch aus den Katalogen und Plakatwänden in der Stadt was es mir ein wenig schwer machte zu unterscheiden wer wirklich mit mir befreundet sein wollte und wer nur an meiner Seite sein wollte wegen dem Ruhm der an mir haften sollte. Ich verstand nicht was sie davon hatten immerhin fühlte ich mich völlig normal und nicht besonders, aber es gab wirklich viele die wirklich nur darauf aus waren mit jemanden bekannt zu seinen der in irgendeiner Hinsicht bekannt ist. Am Anfang war es wirklich schwer aber nach ein paar traurigen Erfahrungen durch welche ich mich selbst zurück gezogen hatte fing ich an zu verstehen und schaffte es auch wahre Freunde heraus zu filtern.

Und dann traf ich ihn. Yuu … der junge Mann in den ich mich sofort verliebt. Er war an der Oberschule in der selben Klasse wie ich und saß direkt neben mir. Ich habe mich von der ersten Sekunde an in ihn verliebt und bin knall rot angelaufen und aus dem Klassenzimmer gestürmt als er mich fragte ob alles in Ordnung war. Erst ein paar Sekunden später hatte ich begriffen das ich ihn die ganze Zeit angestarrt hatte. An jenem Tag hab ich mich gar nicht mehr aus dem Bad getraut und die Schule hat noch eine ganze Weile über mein Verhalten geredet was es nicht besser gemacht hatte. Es war für mich auch das erste Mal gewesen das ich irgendwie überfordert war, immerhin stand ich oft vor der Kamera und konnte da die Ruhe selbst sein, aber Yuu brachte mich einfach aus dem Konzept.

Es verging ein halbes Jahr in dem ich es nicht schaffte ihn an zu sprechen und als ich an einem warmen Sommertag im Park war da dort ein Shooting für ein amerikanisches Kleiderlabel stattfand. Wir waren schon Stunden damit beschäftigt gewesen und ich machte gerade eine kleine Pause als Yuu plötzlich neben mir stand und mir einen kalten Eistee an die Wange hielt. Ich hab mich natürlich total erschrocken ehe ich ihn erkannte. Wir kamen in ein kurzes Gespräch wo er mich fragte ob mir das Spaß machte aber bevor ich ihm richtig antworten konnte musste ich zum Shooting zurück, aber ich schaffte es ihn vorher dazu zu bewegen zu warten, damit ich ihm danach zeigen konnte was mir wirklich Spaß machte.

Es dauerte über eine Stunde bis die letzten Bilder geschossen waren und ich mich endlich hätte umziehen können. Da ich aber unbedingt Yuu nicht noch länger warten lassen wollte ging ich gleich so zu ihm und schlüpfte noch im gehen aus diesen hohen Absatzschuhen während ich nach meiner Kamera griff und zu der Bank zurück ging. Und dort saß er wirklich noch mit einem wunderschönen lächeln auf den Lippen. Mein Herz schlug an jenem Tag wie noch nie in meiner Brust ehe wir gemeinsam durch den Park gingen und ich ihn immer wieder fotografierte. Er hatte gleich gemerkt das mir das sehr viel Freude bereitete und als spät wurde brachte er mich nach Hause. Ich war die ganze Nacht in der Dunkelkammer um ihm am nächsten Tag die Fotos die ich gemacht habe zu zeigen. Irgendwie wollte ich seine Meinung haben und die bestärkte mich daran diesen Traum weiter zu machen.

Nach meinem Schulabschluss begann ich mein Studium an der Saint Paul’s University wo ich einen guten Abschluss machte und das lernte was ich bisher noch nicht wusste. Es war eine aufregende Zeit und in dieser bewarb mich mich um verschiedene Praktika um auch weitere Erfahrungen zu sammeln. Ich durfte bei Hiroshi Sugimoto, Naoya Hatakeyama und bei Yurie Nagashima arbeiten und bekam von ihnen auch Beurteilungen. Währenddessen konzentrierte Yuu sich auf Folklore und reiste mit seinen Kollegen und Freunden auch mal quer durchs Land. Nach meinem Abschluss tat ich dasselbe und bekam sogar die Möglichkeit durch meine Kontakte als Model bei einigen Firmen auch zu fotografieren. Zu dieser Zeit schenkte Yuu mir eine merkwürdige alte Kamera (Kamera Obscura), welche einem Vorfahren von ihm gehörte. Es war ein schönes Stück ... ich sollte vielleicht mal schauen wo sie ist.

Erst danach war ich bei meinen Eltern ausgezogen und hatte mir zusammen mit Yuu ein kleines Haus in Tokyo und eine große Wohnung in New York geholt da ich auch dort war um Fotos zu machen, ganz gleich auf welche Weise. Mal stand ich vor der Kamera aber meist dahinter. Ich hatte meinen Ruf in der Modewelt aufgebaut und baute diesen jetzt auch auf andere Bereiche aus. Ich wollte auch andere Sachen sehen als nur Kleidung und so suchte ich mir neue Themen. Ich fotografierte für Touristikmagazine, für Sportzeitungen und und und .. es entstand eine bunte Mischung wobei ich auch heute noch sehr gerne die einfach Menschen fotografiere. Sicher Models sind schön aber meist auch sehr gestellt .. es fehlt einfach die Persönlichkeit .. das natürliche an einem Menschen und das findet man oft in den Straßen. Während dieser Zeit suchte ich eine Assistentin und Yuu empfahl mir Miku Hinasaki , welcher die Schwester von Mafuyu dem Kollegen und besten Freund von Yuu war. Wir beide verstanden uns vom ersten Moment an.

Vor sieben Tagen jedoch sollte sich mein Leben von einem Tag zum nächsten verändern. Yuu und ich waren im Wagen unterwegs .. ich saß am Steuer und wir wollten noch zu einer Veranstaltung Es war eine kalte Nacht und es regnete. Wir mussten uns beeilen weil Yuu dort eine Rede halten sollte. Ich fuhr etwas über 110km/h. Die Sicht war trotz Scheinwerfer schlecht und dann … konnte ich den Wagen nicht mehr unter Kontrolle bekommen. Es war nur eine leichte Kurve .. nichts schlimmes aber es reichte aus das der Wagen mit dieser Geschwindigkeit von der Straße abkam und in einen Baum krachte.

Das alles ging so schnell ….

Ich wachte wieder auf und stieg aus dem Wagen wie benommen und lief zur Straße. Kein Auto war zu sehen oder zu hören. Nur der Regen der auf den Asphalt prasselte. Ich brauchte einen Moment ehe ich wieder klar denken konnte und eilte zurück zum Wagen … Yuu war bei mir gewesen … dachte ich und konnte dessen Arm aus der Beifahrerscheibe heraus schauen sehen. „YUU...“, schrie ich in die Nacht während ich zu ihm lief und ihm helfen wollte .. überall war Blut .. so viel Blut und es schien immer mehr zu werden. Ich versuchte ihn aus dem Wagen zu ziehen .. ihn wieder zu beleben aber .. er war von mir gegangen und .. es war meine Schuld.

Ich schaffte es einen Notarzt zu rufen während ich immer weiter versuchte ihn zurück zu holen. Ich weiß nicht wie lange ich dort saß und das tat, aber die Sanitäter und die Polizei waren vor Ort und mussten mich gemeinsam dort wegbringen und beruhigen. Es dauerte etwas bis ich begriff was überhaupt passiert war.

Es war Miku die mich abholte und nach Hause brachte und sich um mich kümmerte. Ich zog mich im privaten sehr zurück und sprach auch nicht wirklich mit meinen Eltern. Aber im beruflichen war ich voll und ganz da .. ja ist stürzte mich in die Arbeit und als wir Fotos von einer alten Villa machen sollte. Wir hatten alles soweit fertig gehabt und Miku war schon dabei die Ausrüstung in den Wagen zu laden während ich noch ein paar Fotos vom unteren Bereich machen wollten. Und da veränderte sich alles … Yuu war in diesem Haus … ich hab ihn auf der Kamera gesehen. Erst dachte ich an eine Täuschung aber als ich die Kamera senkte war er immer noch da und sagte meinen Namen während er um die Ecke ging...

Ich folgte ich ihm …

Zu diesem merkwürdigen Haus …Es war dunkel und sehr drückend. Er führte mich näher an das Haus und ich lief schneller .. ich wollte ihn erreichen und betrat das Haus. Ruhig und dunkel war es und während ich versuchte Yuu zu finden ging ich diesen Gang entlang … und da war sie .. eine Frau überseht mit Tattoos und diese Augen .. sie wirkten Blind aber sie kam auf mich zu und sagte etwas … aber ich lief nur zurück in Richtung Tür. Bevor ich sie durchschreiten konnte berührte sie mich an der Schulter und ich wachte auf ..

Seitdem bin ich jede Nacht in dieser Welt gefangen und Suche nach Yuu ..

Mein Leben hätte echt schön werden können, zeitweise war es das auch. Die Ehe meiner Eltern galt als Liebevoll und umsichtig. Die beiden hatten sich kurz nach der Highschool kennen gelernt und verliebt, auch wenn es wohl noch eine Weile dauerte, bis Dad Mom einen Heiratsantrag machte. Soweit ich weiß hat sie immer einen Schritt nach hinten gemacht, um ihm den nötigen Freiraum zu geben. Sie mochte es gar nicht im Vordergrund zu stehen und hat sich von daher immer einen Schritt nach hinten gedrängt und ihm das Rampenlicht überlassen. Soweit ich weiß war sie sehr geschickt darin die Fäden im Hintergrund zusammen zu halten und so war es auch kein Wunder, dass sie sich die ersten Jahre meines Lebens um mich kümmerte.
Dad meinte immer, ich wäre ein sehr braves Kind gewesen, aber ich vermute dass er mich damals nicht oft gesehen hat. Ich meine er hatte ein riesiges Unternehmen zu leiten, wann hätte er denn dafür noch Zeit haben sollen? Abgesehen davon, ich war gerade mal zwei Jahre alt, ich behaupte einfach mal, das Kinder in dem Alter noch nicht viel anstellen können, oder?

Jedenfalls war ich fast drei, als meine Mom starb. Als sie mit heftigen Kopfschmerzen zum Arzt ging, war es bereits zu spät. Sie versuchten zwar alles, um den Tumor zu entfernen, aber soweit ich weiß, ist sie auf dem OP Tisch gestorben. Dad hat nicht gerne darüber geredet, also habe ich irgendwann nicht mehr gefragt, denn ich konnte an der ganzen Situation auch nichts mehr ändern, oder? Warum sich an den Toten festklammern, wenn die Lebenden es sind, die uns bleiben. Zumindest habe ich das damals gedacht, heute denke ich nicht mehr so.
Mein Dad blieb danach eine Weile zu Hause, um den Alltag für uns neu zu organisieren. Nicht dass wir nicht bereits in einer Villa wohnten, die dem entsprechend auch genug Personal bereit hielt, aber was fehlte war ein Kindermädchen, das sich um mich kümmerte. Mom hatte davon nicht viel gehalten, der einzige Luxus war eine Babysitterin gewesen, wenn meine Eltern mal wieder länger fort blieben. Dad hingegen kam nicht ohne sie aus uns so trat Juana in mein Leben. Ihre Eltern waren vor 30 Jahren offiziell aus Mexiko eingewandert und Dad hatte wohl ein wenig die Hoffnung, dass mich das junge Mädchen zweisprachig erziehen konnte, was Juana auch tat. Schon bald plapperte ich einen Mix aus Englisch und Spanisch, was eine Unterhaltung mit mir sehr schwierig machte, aber immerhin dafür sorgte, dass ich beide Sprachen mittlerweile fließend spreche. Was auch cool ist, wenn man es bedenkt, das ich dafür nie groß etwas tun musste.

Ich kam natürlich in den privaten Kindergarten um die Ecke, als ich endlich alt genug war. Ich glaube Dad war darüber wirklich erleichtert. Auch wenn Juana immer mit mir auf den Spielplatz gegangen war, machte er sich doch Sorgen darum, ob ich genug Kontakt zu anderen Kindern hatte. Ich hatte den, ich fand leicht Freunde, immerhin war ich damals ein fröhliches Kind, aber ich glaube das ist so ein Väterding, dass die immer besorgt sind, oder? Ich habe keine Ahnung, ich kenne nur meinen Dad, aber…der war besorgt, eindeutig war er das. Nach dem Kindergarten kam logischerweise die Schule. Die war toll, nein…ehrlich. Ich meine klar war es doof nicht immer spielen zu können, wenn einem danach war, aber im Grunde war es auch toll, endlich was zu lernen. Ich war ein neugieriges und wissbegieriges Kind, etwas was von meinem Dad auch immer unterstützt wurde, egal worum es ging. Er war immer der Meinung, dass meine jetzigen Interessen gefördert werden müssen, egal ob ich mich zum nächsten Picasso aufschwingen, oder der nächste Beethoven werden wollte.
Auch wenn ich heute noch gerne Zeichne und das Geige und Klavierspielen nicht verlernt habe, bin ich mittlerweile ein wenig realistischer, was meine Ziele angeht, ich meine mir ist mittlerweile klar, das ich damit nicht meinen Lebensunterhalt werde verdienen können.

Meine Kindheit war schön. Das war sie wirklich. In den Sommerferien flogen wir um die Welt, ich lernte Europa kennen, Asien, es war einfach toll. Und wenn wir zu Hause waren, hatte ich meine Freundinnen, mit denen ich Pyjamapartys feierte, bis Juana uns alle, vergeblich, versuchte ins Bett zu scheuchen. Das war eine tolle Zeit. Meine kleine heile Welt zerbrach, als Dad Elena anschleppte, die er auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung kennen gelernt hatte. Ich glaube sie ist fast umgekippt, als sie mitbekam in was für einer Villa wir wohnten, aber gut, das wäre ich sicherlich auch, wenn ich das nicht bereits gewohnt gewesen wäre.

Ich weiß, Stiefmütter haben keinen guten Ruf. Ich will auch nicht den anderen Stiefmüttern unrecht tun, die sich um ihre Stiefkinder bemühen, wirklich nicht, aber Elena war eine Katastrophe. Sie bemühte sich nicht mal um ein gutes Verhältnis, sie ertrank eher in ihrem neuen Reichtum und versuchte aus mir eine kleine Puppe zu machen, eine die ich im übrigen nicht sein wollte. Ich kletterte für mein Leben gerne auf Bäume, Dad meinte immer, ich hätte eigentlich ein Junge werden sollen, und ich tobte gerne im Haus herum. Etwas was sie ja gar nicht leiden konnte. Sie meinte immer ich müsste ein liebes, nettes, kleines Mädchen sein, das gerne Kleider anzog. Mal ehrlich, in Kleidern kann man nicht rennen und klettern, verdammt! Auch wenn ich auf den Feierlichkeiten der High Society natürlich vorzeigbar war, in meiner Freizeit wollte ich mich bewegen. Vorausgesetzt ich saß nicht gerade am Klavier, oder hatte meine Geige in der Hand, dann natürlich nicht. Wie gesagt, Elena und ich wurden keine Freunde und so war sie mit Sicherheit erleichtert, als Dad mich zum nächsten Schulwechsel auf ein Internat schickte.

Keine Ahnung ob er damit zu Hause für Ruhe sorgen wollte, ich bin sicher das wollte er, denn das Gezanke ging ihm auch auf den Keks. Das änderte jedoch nichts an unserer Tradition, am Wochenende etwas zusammen zu unternehmen. Dafür setzte er sich auch in Privatflieger und kam zu mir, damit wir das machen konnten, worauf ich Lust hatte. Ich nahm ihm das mit dem Internat nicht übel, ich nahm es Elena übel, dass sie ihn dazu gebracht hatte, vor allem da Juana damit entlassen wurde und ich eine der wenigen Fixpunkte in meinem Leben verlor, den ich bis dato gehabt hatte. Ich hingegen blieb eine gelehrige Schülerin, die in der Schule mit Französisch und Japanisch anfing. Meine Lehrer meinten immer, ich hätte eine Begabung für Sprachen und ich spielte damals ernsthaft, soweit man im Alter von zwölf Jahren ernsthaft damit spielen konnte, mit dem Gedanken Dolmetscherin zu werden. Ich stellte mir vor, wie mein Dad und ich durch die Welt reisten und ich ihn bei seinen Geschäften helfen konnte.

Es kam nie dazu. Ich war vierzehn Jahre alt, als er bei einem Flugzeugabsturz starb und mein Leben endgültig aus den Fugen geriet. Elena wurde das Sorgerecht über mich zugesprochen und sie sah nicht ein, das Internat von ihrem Geld zu bezahlen. Ihrem Geld, das ich nicht lache! Es war das Geld meines Vaters, größtenteils meines, das mir zu meinem 21ten Geburtstag ausgezahlt werden sollte. Das war es vermutlich, das ihr nicht passte. Das sie nicht alles einfach beiseite schieben und abhauen konnte.

Der große Streit folgte eine Woche nach der Beerdigung, als sie klar stellte, dass sie das Geld haben wollte. Verflucht, ich hatte es damals auch schon gewusst, gewusst dass sie nicht mit sauberen Karten spielte, aber ob ich geahnt hatte, dass sie nur auf das Geld aus war? Ich kann es nicht mal sagen, ich weiß nur dass sie mich versuchte weg zu sperren, abgeschnitten von der Außenwelt, damit sie die Wertsachen aus dem Haus räumen konnte. Als die Behörden nach mir sehen wollten, musste sie mich raus lassen. Ich bat die Behörden um Hilfe, aber offenbar hatte Elena einen Arzt bestochen der ihr bescheinigt hatte, dass ich vor Trauer nicht klar denken konnte. Kurz darauf konnte ich es tatsächlich nicht, denn als sie mich wieder weg sperren wollte, griff ich nach dem nächst bestem Gegenstand, einer schweren Tischlampe, und schlug damit um mich. Ich traf sie am Kopf, sie blutete und ich vermute mal, sie hatte euch eine schöne Gehirnerschütterung, aber ich? Ich bekam Panik. Damals dachte ich wirklich, ich hätte sie umgebracht und dann…konnte ich wirklich nicht mehr klar denken.

Ich schnappte mir das Geld aus den Tresor, den Schmuck meiner Mutter, den sie noch nicht beiseite geschafft hatte. Verdammt, ich schnappte mir auch ihr Geld, ihren Schmuck, packte eine Tasche und setzte mich auf mein Fahrrad und fuhr einfach los. Ich wollte einfach nur weg, aber das blöde an Kurzschlussreaktionen ist, dass sie einfach nicht gut überdacht sind.

Allerdings hatte ich Glück. Ich geriet an Marcus. Einen Jungen der behauptete schon sein halbes Leben auf der Straße verbracht zu haben. Ich denke dass er mich in dem Punkt angelogen hat, aber auch wenn er einige Jahre älter war als ich, passte er auf mich auf und wurde zu meinem Beschützer. Er schleppte mich zu seiner kleinen Gang, wo ich kleines Mädchen mich mit großen Augen umsah, während er den anderen Jungs erklärte, dass ich erst einmal bleiben würde. Ich bekam keinen Ton raus, ehrlich gesagt hatte ich eine Scheißangst und als die Behörden anfingen nach mir zu suchen…tja, was soll ich sagen? Die Truppe hatte auch keine guten Erfahrungen gemacht, sie behielten mich im Auge und passten auf mich auf und nachdem ich endlich den Mund aufgekriegt habe, haben sie mir alles beigebracht, was sie für sinnig hielten. Wobei Sinnig immer im Auge des Betrachters liegt. Ich meine ich hatte zwar etwas Geld, das uns später auch über die Runden geholfen hat, aber sie steckten mich nicht nur in andere Klamotten, sondern sie brachten mir auch bei, was nötig war, um auf der Straße zu überleben.

So lernte ich mit 15 Auto fahren, ich lernte Autos aufzubrechen und wann ich mich vor Alarmanlagen in acht nehmen musste. Ich lernte die Menschen abzulenken, während der nächste die Brieftasche klaute und ich lernte treudoof drein zu gucken, damit ich das Geld erbetteln konnte, das wir für das nächste Abendessen brauchten. Ist es bekloppt wenn ich sage, es war eine tolle Zeit? Ich hatte echt Spaß, wirklich, ich meine…fuck, die erste Zeit war hart, aber ich fühlte mich bald so frei, wie schon lange nicht mehr.
Sicher, die Jungs wurden älter, einige zogen weiter, einige kamen hinzu, aber Marcus blieb immer an meiner Seite. Irgendwann hatte er beschlossen, dass ich seine kleine Schwester war, auf die er aufpassen musste und als es für ihn an der Zeit war weiter zu ziehen, zog ich mit ihm.

Die Behörden hingegen suchten immer noch nach mir. Auch nachdem ich L.A. verlassen hatte. Hin und wieder war es bei Marcus und mir knapp, was die Polizei anging. Wir wurden gesehen, fast verhaftet, das ganze Programm. Elena drehte dabei offenbar richtig auf, in der Hoffnung dass sie mich wegen versuchten Mordes weg sperren würden und sie damit Zugriff auf mein Geld und die Firma meines Vaters bekommen konnte. Verflucht, wisst ihr wie das ist, wenn ein Haufen Idioten euch wegen dieser verdammten Belohnung in die Finger kriegen will? Marcus und ich fuhren eine Zeitlang nur Nachts, weil wir hofften sie dann ablenken zu können, aber Kopfgeldjäger, oder solche die glauben die sind es, sind wie Bluthunde, wie Kojoten die nichts von der Spur abbringt. Ernsthaft, selbst das FBI und die Cops sind nicht so schlimm, wirklich nicht.

Und das war es auch, was uns zum Verhängnis wurde, was mir zum Verhängnis wurde. Marcus hatte sich irgendwann eine Waffe besorgt, mir den Umgang damit beigebracht, weil er sich Sorgen um mich machte. Weil er dachte dass die Arschlöcher irgendwann zu weit gehen würden, auch wenn sie das Geld nur bekommen würden, wenn ich noch am Leben war. Wir hatten keine Ahnung wie bald sich seine Befürchtung bewahrheiten sollte.

Wir waren gerade auf den Weg nach Phenix City [Alabama], als wir einem kleinen Trupp dieser selbsternannten Rächer des Rechts über den Weg liefen. Marcus stellte sich in den Weg, damit ich fliehen konnte, er drängte mich abzuhauen und dann…fiel der Schuss und es war Totenstill. Auch wenn ich weiß, mein Kopf hat mir da einen Streich gespielt, ich sah meinen besten Freund in Zeitlupe fallen, während ich ein „Halt still, oder du bist die nächste!“ hörte und dann…weiß ich gar nichts mehr. Ich weiß nicht wie ich nach der Waffe griff, ich weiß nicht wie ich abdrückte, aber der Schrei des Mannes riss mich aus der Trance und ich lief erneut los, schnappte mir den Wagen den Marcus und ich uns besorgt hatten und verschwand, wohl wissend, dass es jetzt keinen Weg zurück gab.

Ich verließ die Stadt, ich verließ den Bundesstaat, ehe sie die Grenzen schließen konnten. Es dauerte nicht lange und ich hörte die Suchmeldungen im Radio und wusste, es würde nicht mehr lange dauern, bis sie mich fanden. Ich schloss den nächsten Wagen kurz, organisierte mit einer tief gezogenen Kapuze etwas zu essen, färbte mir die Haare und während ich noch überlegte sie zu schneiden, fiel ich irgendwann in einen Schlaf, der sehr merkwürdig für mich enden sollte…